Vom 9. febrero 20
Was ist geblieben?
Nun ist es fast 7 Jahre her, dass ich aus Kolumbien zurückgekommen bin. In dieser Zeit sind einige Erinnerungen verblasst und auch die spanische Sprache kommt mir längst nicht mehr so leicht über die Lippen, wie sie es noch am Anfang tat. Zwar wünsche ich mir jedes Jahr aufs Neue, dass der Winter einfach nicht kommen möge, doch wie sich 40° Grad im Dezember anfühlen, das kann ich mir kaum noch vorstellen. Von den vielen Freunden und Bekannten, die ich über das Jahr in Kolumbien kennen lernen durfte, habe ich nur noch zu einer Hand voll Kontakt und die letzte kolumbianische Kochsession ist nun auch schon ein paar Jahre her. Man könnte meinen, dass kaum etwas geblieben ist von diesen 11 Monaten in einer anderen Welt und dass Deutschland mich wieder voll und ganz vereinnahmt hat. Doch auch wenn nicht mehr jedes Detail meiner Erlebnisse präsent ist, mein Spanisch holprig und meine Kontakte nach Kolumbien weniger geworden sind, so merke ich je mehr Zeit vergeht, wie tiefgreifend diese Erfahrungen meine alltäglichen Handlungen begleiten, meine Lebensentscheidungen mitformen und meine Sicht auf die Welt immer wieder prägen.
Bewusstsein für die eigenen Privilegien
Durch das Jahr in Lateinamerika ist mir bewusst geworden, welche Privilegien ich hier in Deutschland genieße und dass der Pass, den ich mit mir trage, einem Lottogewinn gleicht. In Anbetracht dessen hat es mich nach meiner Rückkehr zuerst wütend und dann hoffnungslos gemacht, zu sehen, wie viele junge Menschen in Deutschland demokratische Werte als pure Selbstverständlichkeit ansehen und ihr Recht und ihre Verantwortung zur Mitbestimmung leichtsinnig abtreten. Zurückblickend auf die schier nicht enden wollende Hoffnung der Kolumbianer, hat sich diese Wut jedoch schnell in die Motivation verwandelt, etwas daran zu ändern.
Etwas ändern, aber wie?
So habe ich mich dazu entschieden, Psychologie zu studieren sowie mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Dabei habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, junge Menschen für die Missstände im eigenen Leben, wie auch auf der ganzen Welt zu sensibilisieren. Denn Veränderung, ob privat oder gesellschaftlich, kann nur dann stattfinden, wenn ein Bewusstsein dafür existiert, was schiefläuft.
Es ist fast 7 Jahre her, seitdem ich aus Kolumbien zurückgekommen bin. In dieser Zeit haben sich meine Erfahrungen verfestigt, mein Unverständnis wurde zu Veränderungsmotivation und mein Bewusstsein für das Unrecht auf der Welt ist gewachsen und hat sich multipliziert. Ich hoffe eines Tages all das zurückgeben zu können, was mir die Menschen in Kolumbien mitgegeben haben.
Lisa
Weltwärts-Freiwillige 2012/13
Vom 20. diciembre 19
Als ich am 9. September dieses Jahres am Flughafen von Cali ankam, konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich war endlich wieder da, das erste Mal nach meinem einjährigen Freiwilligendienst.
Auf der einen Seite kam mir die Zeit in Deutschland, in der ich Kolumbien so sehr vermisst habe, ziemlich lang vor. Aber auf der anderen Seite war es, als ob ich nie weg gewesen wäre. Alle haben mich so herzlich empfangen wie schon im vergangenen Jahr und ich habe mich wieder direkt zuhause gefühlt. Es war schön, meine Freunde und alle lieb gewonnenen Menschen wiederzusehen. Ich habe jeden Tag genossen, versucht, so viel wie möglich zu erleben und vor allem viel Zeit mit meinen Freunden zu verbringen – und das ist mir auch gelungen. Ich habe wunderschöne Wochen verbracht, die mir tolle Erinnerungen beschwert haben. Diese werden mich wohl bis zu meiner nächsten Reise nach Cali begleiten.
Neben all dem Schönen, das ich erleben durfte, gab es aber
auch etwas, das mich nachdenklich gemacht hat. Wie viele von Ihnen bestimmt
schon durch die Medien mitbekommen haben, flüchten schon seit einiger Zeit
viele Menschen aus Venezuela nach Kolumbien. Sie hoffen dort auf ein besseres
Leben und einen gesicherten Job. Doch das ist schwer, denn wie wir wissen, gibt
es auch in Kolumbien unzählige Arbeitslose und Menschen, die trotz ihrer Arbeit
in Armut leben. Das Problem verschärft sich nun natürlich und ist leider nicht
so schnell und einfach zu lösen. So habe ich während meiner Reise an vielen
Orten Venezolaner gesehen, die auf der Straße leben, oft zusammen mit kleinen
Kindern und einfach nur auf Hilfe hoffen. Dort, oder auch in Bussen, verkauften
sie typtische Spezialitäten aus ihrem Land und erzählten, dass sie für einige
Zeit nach Kolumbien gekommen sind, um wenigstens ihre Kinder ernähren zu
können, die sie in Venezuela lassen mussten. Wie schlecht muss es den Menschen
dort wohl gehen, dass sie zum Überleben sogar ihre eigenen Kinder
zurücklassen?! Diese Dinge sind für uns wohl sehr schwer zu begreifen und kaum
nachvollziehbar, aber für diese Menschen ist es leider die Realität.
Ich habe auf meiner Reise somit wieder viele Gegensätze
erlebt: Viele Momente des Glücks, der Freude und Herzlichkeit und auf der
anderen Seite Momente der Hilflosigkeit und Traurigkeit. Eben das ist Kolumbien:
ein Land voller Gegensätze und Unterschiede. Für mich als Außenstehende
überwiegen zwar die positiven Seiten, die Kolumbien zu dem Land machen, das ich
liebe und mittlerweile als einen großen Bestandteil meines Lebens bezeichnen
kann. Doch leider weiß ich, dass dies für einige Menschen in diesem Land noch
nicht so ist und sie noch immer auf der Suche nach einer Lösung sind, um der
Armut, Gewalt und den Krisen des Landes zu entfliehen.
Lena
Weltwärts-Freiwillige 2017/18